Seit dem 2. Mai 2023 leitet er als Geschäftsführer die operativen Geschicke unseres FC Carl Zeiss Jena. Patrick Widera ist 44 Jahre alt, verheiratet und Vater zweier Kinder. Zuvor arbeitete er im Auftrag eines renommierten Management- und Beratungsunternehmen für Fußballvereine von der 1. bis zur 3. Liga sowie für nationale und internationale Verbände. Wir haben mit dem gebürtigen Saalfelder, der bereits von 2016 bis 2019 als geschäftsführendes Präsidiumsmitglied für die Geschicke des Vereins verantwortlich war, über die aktuelle Situation gesprochen.
Knapp eineinhalb Jahre bist Du nun Geschäftsführer beim FCC. Sind diese in etwa so verlaufen, wie Du es erwartet hast?
Klares Jein! Klar war natürlich, dass die Aufgabe, insbesondere das Schultern des neuen Stadions und der damit einhergehenden Rahmenbedingungen, eine große Herausforderung für den Club sein würden. Aber die zeitlichen Dimensionen für zum Beispiel das Verhandeln bzw. Gestalten von Miet-, Catering- oder Vermarktungsverträgen waren zunächst für mich nicht absehbar. Nun sind wir, nachdem wir viel Zeit für das Abstecken der zukünftigen Rahmenbedingungen aufwenden mussten, mehr und mehr im operativen Handeln.
Wie bewertest Du die sportliche Komponente seit Deinem Amtsantritt?
Natürlich hatten wir uns die vergangene Saison etwas anders vorgestellt. Die Gespräche und Einschätzungen, auch formuliert durch die sportliche Leitung, waren vor der Saison durchaus optimistisch und spiegelten die insgesamt positive Grundstimmung nach der starken Rückrunde der Vorsaison wider. Wir alle wissen, dass die Hinserie diese Erwartung nicht bestätigen konnte. Zum Abschluss der Hinserie mit den beiden Niederlagen gegen Chemnitz und Zwickau hatten wir uns dann entschlossen, im Bereich der Trainerpersonalie aktiv zu werden – und das weniger wegen der sportlichen Situation zum damaligen Zeitpunkt. Hier stand für uns die innere Überzeugung bzw. die Identifikation mit dem Nachwuchskonzept und somit die langfristige Betrachtung im Vordergrund. Sportlich haben wir uns dann stabilisiert und mit dem Gewinn des Thüringenpokals und dem Aufstieg der Frauen in die 1. Bundesliga zwei Höhepunkte feiern dürfen.
Es hält sich die Mär, dass sich ein Regionalligist wie unser FC Carl Zeiss Jena eine Frauen-Mannschaft in der 1. Frauen-Bundesliga nicht leisten kann.
Du verwendest den richtigen Begriff: Es ist eine Mär. Richtig hingegen ist, dass, solange unsere Frauen in der 1. Bundesliga spielen, der FCC in hohem Maße insgesamt profitiert. Das hängt mit den zentralen Erlösen der 1. Frauen-Bundesliga zusammen – also Erlöse aus den TV- und Namensrecht-Partnerschaften. Wir sprechen hier in Summe von etwa 800.000 EUR, was dem Gesamtverein natürlich enorm hilft. Das ist also eine völlig andere Situation als noch im Jahr zuvor, als der FCC in der 2. Frauen-Bundesliga spielte mit etwa 60.000 EUR an den Zentralvermarktungserlösen der Liga partizipierte. Aber so oder so: Wir müssen als Club eine Struktur finden, die uns unabhängiger davon macht, in welcher Liga gerade die Frauen spielen. Zumal ich glaube, dass es – bei allen Chancen, die ich für den Klassenerhalt sehe – etwas vermessen wäre, automatisch von einem dauerhaften Verbleib in der 1. Frauen-Bundesliga auszugehen. Erstrecht vor dem Hintergrund der dortigen Konkurrenz, die ganz andere wirtschaftliche Mittel hat als wir.
Du sagtest zu Beginn des Gesprächs, dass Du zunächst sehr viel Kraft und Zeit in das Lösen von organisatorischen und infrastrukturellen Themen investieren musstest. Fühlst Du Dich damit am Ziel?
Ja, das würde ich tatsächlich so sagen. Ich glaube, wir haben jetzt einen guten Rahmen geschaffen, in dem unser FC Carl Zeiss Jena dauerhaft bestehen kann. Man darf natürlich nicht außer Acht lassen, dass sich für uns als FCC die Spielregeln mit dem neuen Stadion stark verändert haben. Wir sind nicht der Betreiber des Stadions, aber wir müssen es bewirtschaften und haben einen wesentliche Verantwortung dafür, dass das wirtschaftlich passt und kaufmännisch aufgeht. Und hier haben wir Verpflichtungen übernommen, die deutlich über dem lagen, wie wir es noch aus der Zeit des alten Stadions kannten. Aber dafür haben wir umso höhere Potenziale. Und diese Potenziale zu erschließen ist nun Stufe zwei. Und in dieser befinden wir uns.
Dass der FCC für die Fans immer der Größte ist und weiter sein wird, versteht sich von selbst. Aber er ist in den letzten Monaten – gefühlt und tatsächlich – weiter gewachsen.
Das ist so. Aber er war auch schon zuvor groß. Und er war und ist kein normaler Regionalligist. Das hat nicht nur mit dem großen öffentlichen Interesse zu tun, das unser Club erfährt, sondern auch damit, wie wir uns in den letzten Jahren aufgestellt haben. Wir haben die Frauen dazubekommen und zudem ein Nachwuchsleistungszentrum, für das wir jährlich knapp 1,3 Mio. EUR ausgeben. Ich weiß nicht, welcher Regionalligist sich in vergleichbarer Weise dazu selbstverpflichtet hat, Nachwuchs auszubilden. Dieses Erbe bringen wir mit – und nun kommt noch das neue Stadion hinzu und die Höhepunkte, die wir in ihm erleben durften. Wir führen mit durchschnittlich mehr als 8.200 Fans die Zuschauertabelle der Liga an und haben uns mehrfach den Grenzen unserer neuen Infrastruktur nähern dürfen – und das mit der relativ überschaubaren Personalstruktur auf unserer Geschäftsstelle. Und deswegen möchte ich auch an dieser Stelle Danke sagen dafür, was in den vergangenen Monaten trotz vergleichsweise kleiner Belegschaft von den Kolleginnen und Kollegen alles geleistet wurde.
Wir erleben heute mit 12.430 Zuschauern im Stadion einen Thüringenpokalzuschauerrekord. Der Verein hat einen bemerkenswerten Mitgliederzuwachs, die Fans strömen ins Stadion – tragen Schals, Trikots und haben auch Appetit und Durst. Das immer mal wieder von Fans beschriebene Gefühl ist, dass die Kassen doch gut gefüllt sein müssten.
Um im Bild zu bleiben: Die Kassen sind, um den laufenden Betrieb in dieser Saison abzusichern, geradeso ausreichend gefüllt. Aber: Man darf nicht vergessen, wo wir herkommen. Wir kommen als FCC aus einem Defizit. Und jetzt müssen wir die wirtschaftlichen Potenziale, die noch immer in diesem Club schlummern, über die Highlights, die wir hatten, hinaus entwickeln. Du hast es angerissen: Mitgliedschaft, Zuschauerzahlen und natürlich auch Sponsoring und Fanartikel gehören dazu. Und wo können wir uns neue Felder erschließen? Stichwort Medienerlöse.
Du sagtest, dass der FC Carl Zeiss Jena etwa 1 Mio. EUR mehr einnehmen muss, um das aktuelle Niveau zu halten. Das klingt zunächst hart, beschreibt aber nichts anderes als das, was über Jahre beim FCC als strukturelles Defizit bezeichnet und am Ende der Saison vom Gesellschafter Roland Duchatelet ausgeglichen wurde. Diesen Rettungsschirm gibt es nun nicht mehr. Nun hat der Club bis zum Ende der Saison 2025/2026 Zeit, dieses Defizit zu schließen. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Aber wo stehen wir hier?
Wir lagen in der abgelaufenen Saison 2023/2024 leicht hinter unserem Plan, was an verschiedene Faktoren lag. So zum Beispiel hatten wir wegen der eingeschränkten Nutzbarkeit des Stadions, dessen Fertigstellung sich verzögerte, Auslastungsprobleme. Aber das, womit wir in der vergangenen Saison hinter unserem Plan lagen, holen wir in dieser Saison wieder auf, wozu natürlich der DFB-Pokal, die Stadioneröffnung, zwei ausverkaufte Derbys und die insgesamt sehr guten Zuschauerzahlen einen großen Anteil haben. So dass wir ziemlich genau im Konsolidierungsplan liegen. Es bleibt das Ziel, in absehbarer Zeit auf eigenen Füßen stehen zu können. Und es bleibt ohne Alternative, genau darauf hinzuarbeiten.
Sind vor dem Hintergrund dieser Herausforderung aktuell überhaupt Neuverpflichtungen denkbar?
Sie sind nicht undenkbar. Aber wir sind bei diesem Thema in der Tat zurückhaltend. Unser Plan vor der Saison war, die Mannschaft zu verjüngen, den Kader zu verkleinern und an zwei, drei Stellschrauben Anpassungen vorzunehmen. Das ist gelungen. Aber wir würden jetzt nur sehr ungern diesen Pfad, auf dem wir uns gerade genau im Plan befinden, verlassen bzw. anzupassen mit dem Risiko, dass wir am Ende mit Zitronen gehandelt haben. Stattdessen wollen wir, dass unser Verein wächst und der sportliche Aufstieg, den wir uns alle als großes Ziel gestellt haben, muss das Ergebnis einer wirtschaftlichen Konsolidierung sein. Anders gesprochen: Wir wollen der wirtschaftlich stärkste Verein in der Regionalliga sein und damit auch sportlich die erste Kraft in dieser Liga. Darauf arbeiten wir hin, und dafür befinden wir uns gerade in einer sehr wichtigen Phase, die uns mit der Frage herausfordert: Bleiben wir bei uns und unserem Weg oder gehen wir ins Risiko, auch im Hinblick auf Transfers.
Im Pokalderby trifft unser FC Carl Zeiss Jena auf den FC Rot-Weiß Erfurt: Gab es im Hause Widera, als Du noch ein Kind warst, jemals eine andere Option als den FCC?
Ich bin in Saalfeld geboren und aufgewachsen. Saalfeld gehörte zum Bezirk Gera. So wie auch Jena. Mein Vater war Angestellter im Zeiss-Kombinat und Saalfeld einer der allerersten Zeiss-Standorte außerhalb Jenas, so wurde aus Motor Saalfeld auch die BSG Carl Zeiss Saalfeld. Kurz und knapp: Saalfeld war Zeiss. Und ist es immer noch.
Vielen Dank für das Gespräch.